Ralph Heidenreich | Schönfeldstraße 2 | 88400 Biberach | Germany |
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Wohin treibt die Jugend? Was wird aus der Welt? Probleme noch
und nöcher, doch im Zentrum aller Ungewissheit jene Frage, deren
klassischen Ausdruck der Herr Doktor der Jurisprudenz, Heinz Haage, im Jahr
des Herrn 1994 zu formulieren wusste, nämlich "ob der Mensch an sich
zum Guten (zur Konformität) oder zum Bösen (zur Abweichung)
neigt."(1)
Seit 1989, dem Jahr des SIEGES, ist es den Menschen erneut und wiederholt
geoffenbart worden: der Weg zum Erfolg ist der Weg der Anpassung.
Willst du aber mehr als der Durchschnitt, so mußt du dich auch mehr
bemühen. Gehe hin zu deinem Priester und sage: "Ich liebe diesen
Glauben, o Herr, was kann ich für ihn tun?". Und übe die Übung,
die deine Lehrerin dir aufgab so lange, bis du die schönste und perfekteste
Übung geübt hast in der ganzen Klasse, dann gehe hin zu
deiner Lehrerin, zeige sie ihr und sage: "Ich habe diese Übung geübt,
Frau Lehrerin, darf ich nun noch eine Übung üben?" Erfolg durch Gehorsam
Bei alledem aber vergiß nie, du willst dich nach oben arbeiten, du willst
so werden wie die, die über dir stehen. Also präge dir ihre Haltungen
ein, lerne die Nuancen ihrer Sprache zu verstehen, ja, ihre Gedanken zu erraten
und ihre Wünsche zu erkennen, bevor sie ausgesprochen sind, und befolge sie
getreulich.
Was aber geschieht den Uneinsichtigen, denen, die nie mit "Jawohl
Meister" antworten, sondern mit "ja aber" ? Die, sei es aus
mangelnder Weitsicht oder aus Unverstand, aus Trotz, Stolz oder
kindischer Sturheit, unfähig zum Gehorsam, in der Schule schlafen und die Hausaufgaben
abschreiben, im Gottesdienst fehlen und auf der Arbeitsstelle
faulenzen? Die Welt verbessern, das scheint ein lobenswertes Ziel, aber gehört sie ihnen denn? Nein, ihnen gehört nicht einmal das allerklitzekleinste Stückchen von der Welt. Aber sie wollen sie verbessern, die Welt, die anderen gehört, sie wollen die ganze Welt ihren rechtmäßigen Besitzern entreißen, vor lauter Langeweile das schrecklichste Sakrileg begehen, das Heiligste der freien Marktwirtschaft vernichten, das Recht auf EIGENTUM. Und doch können solche Langeweiler dies schrecklichste aller Verbrechen, die Revolution, gar nicht ausführen, denn weder sind sie in der Lage, sich in größeren Gruppen mit einem festen Ziel zusammenzuschließen, noch bringen sie die Energie auf für politische Agitation und Propaganda. Die frevelnde Ungeheuerlichkeit ihrer kriminellen Phantasie kontrastiert so auf das merkwürdigste mit der Mickrigkeit ihrer Taten. Langeweile ist eine Krankheit
Wie kranke Tiere verkriechen sich die Gelangweilten in dunklen Ecken, um dort
ihre Drogen zu nehmen und ihre depressive "Musik" zu hören,
auf einen Sozialarbeiter zu warten, der irgendwann einmal dort vorbeikommt,
um mit ihnen Streetball zu spielen oder Skateboard zu fahren.
1911 schon hat der berühmte Psychiater Bleuler die negativen Symptome der
Schizophrenie zusammengefasst, als da wären: Alogie, der Verlust
des Gedankenflusses, Affektverflachung, der Verlust von Emotion und Ausdruckskraft,
Entschlußlosigkeit, der Verlust von Entschlußkraft und Antrieb,
Anhedonie, die Lustlosigkeit, sowie verminderte Aufmerksamkeit, kurz, alle
Anzeichen der Langeweile. Dazu kommen beim Schizophrenen noch Halluzinationen,
Wahnvorstellungen, und Störungen im Sozialverhalten. Letzteres mag den
herumlungernden Gestalten, Punks, Grufts, ect. ohne weiteres unterstellt sein,
und wenn wir einen Blick auf ihre Drogen werfen, was finden wir da? noch ist Heilung nicht in Sicht
Doch da ist guter Rat teuer und ärztliche Hilfe auch. Zwar gibt es mit den
Neuroleptika wie etwa Haldol bewährte Medikamente gegen das schizophrene
Irresein, doch diese Medizin wirkt bei verschiedenen Patienten stark
unterschiedlich und verursacht zum Teil heftige Nebenwirkungen. Zu Recht
zögert die Psychiatrie, solche Mittel bei einfacher Langeweile
einzusetzen. Aber solcherlei Ansichten sollten in der Biberacher Jugendarbeit eigentlich keine Chance haben, und so wollen wir auf den medizinischen Fortschritt hoffen, die Gentechnik und das Zusammenwirken von Psychiatrie und Universität, auf ein modernes Medikament gegen die Langeweile, so daß in hoffentlich naher Zukunft niemand mehr dagegen sein und ja-aber sagen muß sondern wir alle freudig unseren Glauben glauben, unsere Übungen üben und unsere Arbeiten arbeiten, kurz, daß der Mensch zum Guten, zur Konformität sich neige.
1. Haage,Heinz: Theorien der sozialen Kontrolle ..., Frankfurt 1995,S.16; |