Ralph Heidenreich | Schönfeldstraße 2 | 88400 Biberach | Germany |
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Gewöhnlicherweise gibt es zu einer Straftat ein Gesetz,
einen Täter und mindestens ein Opfer. Es kommt aber vor, daß der
Gesetzgeber ein Gesetz erlässt, um von seinen Untertanen die Befolgung
bestimmter moralischer Verhaltensweisen zu erzwingen, und so
"opferlose" Verbrechen erzeugt. Die Folgen solch übermäßiger Ausdehnung des Strafrechts seien anhand des Betäubungsmittelrechts erläutert.
Mit dem Betäubungsmittelgesetz von 1972, das 1981 nochmals verschärft
wurde, hat der Gesetzgeber der Polizei das vermutlich unlösbare Problem
aufgegeben, dafür zu sorgen, daß die Jugend keine Drogen nehme
außer den erlaubten. |
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Legalitätsprinzip Die Polizei ist als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft grundsätzlich zum Einschreiten verpflichtet, wenn für eine verfolgbare Straftat "zureichende tatsächliche" Anhaltspunkte vorhanden sind. Verfolgt ein Kriminalbeamter eine ihm zur Kenntnis gekommene Straftat nicht, so setzt er sich dem Vorwurf der "Strafvereitelung im Amt" aus.
Opportunitätsprinzip |
Fahndung hilft nicht | |
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Mit dieser Kombination aus hoher Dunkelziffer und prima
Aufklärungsquote bergründete die Fahndungsbürokratie über
Jahre hinweg immer neue Forderungen nach Geld, Personal und erweiterten
gesetzlichen Befugnissen. Sie bekam aus öffentlichen
Geldern bezahlte Spitzel - amtsdeutsch "V-Personen", spezielle
Observationseinheiten "MEK", verdeckte Ermittler,
Telefonüberwachung, Lauschangriff. Jeder dieser Schritte entfernte
die Drogenpolizei weiter von dem für eine demokratische Polizei
grundlegenden Legalitätsprinzip. Anstelle der erwarteten Erfolge zeigten sich jedoch gravierende Nebenwirkungen:
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Um in einer solchen Szene zielgerichtet zu ermitteln, wurde es von der
Polizeiführung als notwendig angesehen, nicht nur das
Legalitätsprinzip zu verlassen, sondern schließlich auch selbst an
verbotenen Handlungen teilzunehmen. "Die Polizei muß selbst in den Untergrund gehen" schrieb der Baden-Württembergische Polizeipräsident Stümper 1982 in der Zeitschrift "Die Polizei". |
Vorbeugen hilft auch nicht | |
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Mit den Kanonen, die da aufgefahren wurden, auf kleine Kifferlein zu schießen, erwies sich schnell als ineffizient. Solange aber der Markt der Endverbraucher bestehen bleibt, findet sich bald ein Nachfolger für jeden aus dem Verkehr gezogenen Drogendealer. | |
Die Polizei begann daher schon früh mit Versuchen, Jugendliche mittels
sogenannter Aufklärung vom Drogenkonsum abzuhalten. In ihren Anfängen
war diese "Drogenprävention" noch ziemlich handgestrickt:
Drogenpolizisten besuchten Schulklassen, ließen dort mehr oder weniger
verpackte Haschkrümel herumgehen (!), und erzählten dazu von den
Schrecknissen des Rauschgiftkonsums. Die Ergebnisse entmutigten keineswegs, man schloss vielmehr aus dem offensichtlichen Ausbleiben von Erfolgen auf einen enormen Professionalisierungsbedarf. In der Folge wurden massenweise polizeiliche "Informationsbroschüren", Filme und Lehrmittel verteilt, Keine-Macht-den-Drogen-T-shirts wurden erfunden und "Anti-Drogen-Discos" durchgefhrt. Es half alles nichts. Gemessen an der ursprünglichen Absicht, den Gebrauch "illegaler" Rauschmittel zu unterbinden, lässt sich ein kompletter Mißerfolg der angewandten Mittel feststellen. Die Jugend zu Beginn des dritten Jahrtausends kifft nicht nur mindestens genausoviel wie die vor 20 oder 30 Jahren, sie konsumiert mit ähnlich großer Begeisterung auch die neu hinzugekommenen Techno-Drogen. Medizinische Institutionen hatten mit Drogentherapien vergleichsweise größeren Erfolg, auch Drogenberatungsstellen und Sozialarbeiter konnten wenigstens in Einzelfällen Hilfe leisten. |
Prävention Kriminologen unterscheiden drei Arten der Prävention:
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Neue Gelder braucht das Amt |
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Parallell zur polizeilichen Drogenbekämpfung hat sich das Geschäft
mit Rauschmitteln professionalisiert. Banditen und Guerrilleros aller Art
finanzieren ihre Buschkriege durch Drogenanbau, Jugendlichen aus der
Unterschicht bietet die Karriere als Dealer eine der wenigen Möglichkeiten
zu einem ordentlichen Einkommen, und die Polizei sichert durch Verfolgungsdruck
hohe Gewinnspannen und fängt konkurrierende Amateure weg. Die Professionalisierung des Drogenhandels dient wiederum den Polizeiführungen als Argument - Stichwort Organisierte Kriminalität - , neue Gelder, Personal, Befugnisse usw. einzufordern. Sie werden das alles bekommen und es wird am Drogengebrauch nichts ändern. Weder Repression noch Prävention wirken sich nennenswert auf Drogenangebot oder -Nachfrage aus. Zu erwarten wäre nun eine Reaktion des Gesetzgebers. Gelegentlich profilieren sich auch Oppositionsparteien mit Vorschlägen zur Änderung des Betäubungsmittelrechts, von Seiten der jeweiligen Regierungen ist aber nur ein tatkräftiges "weiter so!" zu hören. Wie ist das zu erklären? Herrscht in der politischen Klasse ein dumpfes Gefühl der Bedrohung durch "die Droge"? Hat Fischer nie gekifft? Oder wünscht sich etwa die herrschende Klasse eine mit undurchsichtigen Mitteln im Untergrund operierende Geheimpolizei, die auf dem Felde der Drogenbekämpfung innovative Verfahren zur Massenbespitzelung übt? Bestimmt am Ende eine außer Kontrolle geratene Kriminalitätsverwaltung die Richtlinien der Politik? Schon wegen des Beförderungsstaus müsste diese auf stetiges Wachstum achten und könnte keinesfalls zulassen, daß eine ganze Abteilung, und noch dazu eine mit bislang schönen Zuwachsraten, auf die Abwicklungsliste kommt. Murray Edelman, ein amerikanischer Politologe, schrieb 1990 im Vorwort zu "Politik als Ritual": "Gesellschaftliche Probleme werden selten gelöst, zum Teil deswegen, weil jede Gegebenheit, die als Problem betrachtet wird, gleichzeitig auch einen Nutzen für - typischerweise recht mächtige - Gruppen darstellt. Arbeitslosigkeit beispielsweise hilft Arbeitgebern die Kosten der Arbeitskraft zu verrringern und eine fügsamere Belegschaft zu erhalten. .. Konservative, die durchweg höhere Militärausgaben und eine enge Definition von Bürgerrechten befürworten, behaupten, daß gerade diese Maßnahmen eine notwendige Antwort auf das Drogenproblem seien;" Es scheint jedenfalls so, daß die an der wirkungslosen Drogenbekämpfung Beteiligten mit mangelndem Erfolg gut leben können:
No Risk - no fun. |