Sie zeigen das Sozialverhalten von Pitbull-Terriern, saufen, stehlen und
schlägern, und stoßen auf allgemeinen Rückhalt und
Verständnis. Eindrücke von zwei Gerichtsverfahren vor dem Biberacher
Jugendschöffengericht.
Mitte Januar 1997 standen zwei Mitglieder der
faschistischen Biberacher Skins vor dem Jugendschöffengericht. Vorgeworfen
wurden ihnen Diebstähle, ein Einbruch und gefährliche
Körperverletzung, nämlich daß sie einen Arbeitslosen "in
der Hindenburgstraße hinterrücks überfallen und
zusammengeschlagen" haben. Im Februar folgte eine Verhandlung gegen
fünf Mitglieder derselben Gruppe, auch sie hatten zu mehreren einen
Einzelnen zusammengedroschen, außerdem ein Motorrad zerstört und
waren, das Horst-Wessel-Lied gröhlend, über den Gigelberg
gezogen. In beiden Prozessen waren die Angeklagten voll geständig,
erzählten im Stile von "Vati, ich weiß, ich hab da Scheiß
gebaut, aber gell, stark war i scho". Besonders tat sich dabei der
jüngere Angklagte im ersten Prozeß hervor. Seine Schilderung des
Überfalls, so lebhaft vorgetragen, daß Richter Ehrmann öfters
mal bremsen musste, dauerte fast eine halbe Stunde. Er sei an diesem Abend mit
seinen Freunden in Freds Grillbar gesessen und sie hätten ordentlich einen
getrunken gehabt. Da sei sein Onkel, der spät nachts auch in die Grillbar
gekommen war, mit einem anderen Gast in Streit geraten, und bald darauf
gegangen. Der andere, das spätere Opfer des Überfalls, habe dann
"hintenrum gelästert, uns dumm angelabert, die ganze Gruppe,
Vorwürfe wegen Feigheit, gegen Skinheads und so". Als das Opfer dann,
nach eigener Aussage ebenfalls betrunken, das Lokal verließ, da ist er
hinterher. Und "dann hab ich ihm eine gegeben, auf die Nase, dann hat er
sich abgelegt, dann mit den Füßen, wo er gelegen ist, noch fünf
oder sechs." Sein mitangeklagter Kumpel sieht das freilich anders, in
seiner Version war er der starke Held: " ..wo ich raus bin, da hat der mit
dem (Opfer) rumgecatcht. Da hab ich dem den Ellenbogen in die Fresse, dann ist
er umgefallen. Dann hat er Wixer gesagt, wo ich ihn aufheben wollte, er hat
Scheiß Glatzen gesagt." Der Wirt von der Grillbar erzählte es
so: "Die Jungs",sagte er,..."die Jungs fühlten sich
gedemütigt und sind hinter dem (Opfer) her, um ihm eine Abreibung zu
verpassen. Es waren drei, aber den dritten kenne ich nicht. Ein paar Minuten
später sind sie wieder gekommen und haben gesagt: dem haben wir es gegeben,
wie er es verdient hat." Der Aussage des Opfers zufolge waren es vier
Angreifer gewesen, "ich konnte mich drehen, wie ich wollte, habe von jeder
Richtung Schläge bekommen." Die Faschoskins haben den guten Mann
jedenfalls bös zugerichtet, etliche Platzwunden am Kopf mussten genäht
werden, eine Rippe war gebrochen, dazu noch etliche Prellungen und
Blutergüsse. Nachdem er Anzeige erstattet habe, und zwei der Angreifer auf
polizeilichen Fotos habe identifizieren können, seien diese dann zu ihm
gekommen, um sich entschuldigen und ihn dazu zu bewegen, die Anzeige
zurückzunehmen. Die zweite größere Sache, die in diesem
Prozeß zur Sprache kam, und weswegen der jüngere sogar in U-Haft
genommen worden war, war der Einbruch im Kaufland. Da hatte er, auf etwa ein
Promille, mit einem andern, der hatte zweieinhalb Promille, zunächst eine
Glastür eingeschlagen, und dann ein Absperrgitter überwunden, indem er
so lange dagegengerannt war, bis es sich verbogen hatte und aus der
Führungsschiene gezerrt werden konnte. Und dann - o Wunder - ging das Licht
an. Das hat die beiden sehr gefreut, sie haben drei Taschen aus dem Regal
genommen und aufgefüllt: mit etlichen Flaschen Schampus, paar Dosen Bier,
einer Flasche Wodka, einer Flasche Criss, dann in der Elektroabteilung noch
einen Videorekorder, zwei Kassettendecks, eine Polaroidkamera und einen
Radiowecker. Daß derweil bei der Polizei auch ein Lichtlein angegangen
war, haben die zwei aber nicht in Betracht gezogen, und so ließen sie sich
beim Verlassen des Kauflands widerstandslos von der inzwischen eingetroffenen
Polizei verhaften. Für diesen Einbruch - und nicht etwa wegen des
Überfalls in der Hindenburgstrasse - kamen sie in Untersuchungshaft. Die
beiden Skins distanzierten sich von ihrem früheren Lebenswandel, der
ältere meinte aber, das Zusammenhalten und das Politische sei schon klasse
gewesen. Darauf der Richter: "Das könnt ihr doch machen. Ihr Skins
werdet ganz selten verfolgt wegen politischen Sachen, sondern wegen solchen
Sachen wie Diebstahl, Körperverletzung, Sachbeschädigung."
Daß bei dem jüngeren schon ein weiterer Prozeß ansteht im
Zusammenhang mit einer Gedächtnisfeier für den Hitler-Stellvertreter
Heß, ließ das Gericht an der Distanzierung nicht zweifeln. Breiten
Raum erhielt dieser stattdessen für seine Klagen über
ausländische Mitgefangene. "Ich habe da so Tattoos",erklärte
er, "eine Siegrune hier und da noch ein Hakenkreuz. In der Haft habe ich
Stress gehabt mit ausländischen Mitgefangenen, da habe ich Schläge
gekriegt, und da wollten sie das Tattoo rausschneiden mit Rasierklingen, die
haben sie auch schon in der Hand gehabt." Richter Ehrmann bestätigte,
daß sich in dieser Sache sich auch die Eltern an ihn gewandt hatten und er
errreichen konnte, daß der Skinhead in ein anderes Stockwerk verlegt
wurde. Nachdem sich noch der Jugendgerichtshelfer für die beiden eingesetzt
und Therapie als Chance zur Nachreifung empfohlen hatte, war der Ausgang des
Prozesses so gut wie klar: Bewährung an allen Fronten. Mitte Februar
standen - wiederum vor dem gleichen Richter - fünf Mitglieder derselben
Bande, eine Versammlung von Vertretern unterdrückter Minderheiten, einer
aus dem Heim, ein anderer hatte seit der siebten Klasse die Schule verweigert
und ebenso die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, zwei Einwanderer, einer aus
Polen, einer aus Bosnien, und einer - der Wortführer der Gruppe - war 1990
aus der DDR gekommen. Allein, sie fühlen sich als deutsche Nationale, ihre
Taten: das übliche in solchen Kreisen, zu mehreren einzelne
zusammenschlagen, im Suff randalieren und so weiter. Vor dem Richter ebenfalls
das übliche Verhalten, alle sind umfassend geständig, der ideologische
Anführer distanziert sich von rechtsradikalen Ansichten. "Ich bin
nicht mehr der Skinhead-Szene zugehörig",sagt er, "für mich
waren diese Opfer Feinde, das sind sie heute nicht mehr. Jeder, der nicht meine
Einstellung hatte, war mein Feind. Im Sommer 96 habe ich meine Einstellung
geändert." Das wichtigste für ihn sei, zu wissen woran er glauben
könne. Kein Wort des Widerstrebens vor Gericht, brav wie die
Lämmer, nein, wie gut dressierte Schäferhunde sitzen sie da und geben
dergestalt den Schuldvorwurf wortlos ans Gericht zurück: Hättet ihr
uns doch an die Kandarre genommen, uns an die Leine gelegt, uns die Ziele
gewiesen, wir wären Eure Hunde des Krieges geworden, wir hätten nicht
auf eigene Faust gehandelt, wir sind doch bereit zu gehorchen! Der, der die
Schule verweigert hat, der nie zu der netten Frau vom Jugendamt gegangen war,
verteidigt sich damit, daß er nun zur Bundeswehr komme und sich dort
verpflichten werde. Dann habe für ihn das Lotterleben ein Ende. So was
kommt an, der Mann bekommt Bewährung. In der Standpauke, die ihnen der
Staatsanwalt hält, wird anfangs noch gescholten. Von "blinder,
wütender Gewalt gegen Unschuldige" getrieben, haben sie "das
Opfer niedergeschlagen, den auf dem Boden liegenden getreten", stellt er
fest, doch dann habe der Anführer "schlichtend eingegriffen", sei
selber auch gar nicht nachweislich tätlich geworden, man könne ihm
somit auch keine "schädlichen Neigungen" unterstellen, für
ihn, den Deutschen, fordert der Staatsanwalt vier Wochen Arrest. Im Urteil
werden daraus 30 Arbeitsstunden, vier Wochen absitzen muß stattdessen der
Einwanderer aus Sarajewo, für den der Staatsanwalt wegen "erwiesener
schädlicher Neigungen" 8 Monate ohne Bewährung gefordert hatte.
Der Kroate hatte dem Gericht erzählt, er habe sich "durch ein
Lächeln" provoziert gefühlt und zugeschlagen.
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