Ein Jugendhaus ist ein Haus, in dem die Jugend was zu Sagen hat.
Außer in Biberach.
Hier soll das Jugendhaus ein “zentrales Raumangebot verwirklichen, welches vielen Jugendlichen die Möglichkeit bietet, wenn auch zunächst einmal lose, in Kontakt mit den Angeboten von Jugend Aktiv zu kommen.” So steht es im Konzept für die Umsetzung eines Jugendhauses in Biberach. Da wird das Haus auch mal ehrlicherweise als “Jugend Aktiv Haus” bezeichnet. In dem Haus wird “die Geschäftsführung und Verwaltung, das Kinder- und Jugendbüro und ein Teil der Mobilen Jugendarbeit von Jugend Aktiv untergebracht.” Auf einen Partybetrieb wird dagegen “bewusst verzichtet”.
So etwas als Jugendhaus zu bezeichnen, grenzt meiner Meinung nach an Etikettenschwindel.
Ich habe dieses Konzept bei verschiedenen Gelegenheiten öffentlich kritisiert, gerne auch etwas polemisch, wie sich das in der Politik gehört. Das hat mir wiederum, auch innerparteilich, die Kritik eingetragen, ich würde die Sozialarbeit heruntermachen. Diese Kritik ist auch deshalb verständlich, weil ich früher schon hier und dort kritisch über Jugend Aktiv geschrieben habe. Trotzdem geht sie am Thema vorbei.
Individuelle Hilfe für Menschen in sozialen Stresssituationen ist nötig. Da spielt die Sozialarbeit in einer Liga mit dem Rettungsdienst. Und genau wie der Rettungsdienst umso mehr beansprucht wird, je schneller, rücksichtsloser und betrunkener gefahren wird, genauso wird die Sozialarbeit mehr gefordert, wenn die Gesellschaft wettbewerbsorientierter, kampfbetonter und geldgeiler wird. Sozialarbeit ist unverzichtbar.
Man kann natürlich die Zeit des Heranwachsens ganz allgemein als soziale Stresssituation bezeichnen, und vermutlich würden dem sogar viele Jugendliche zustimmen. Aus dieser Sicht hat dann auch das Angebot “Betreutes Chillen mit Jugend Aktiv” durchaus sein Flair.
Jugend ist aber mehr als das. Jung sein ist nicht nur Stress, es ist auch Abenteuer, Experiment, Utopie und Kreativität. Die Jugend braucht eben nicht nur Betreuung, sondern auch und vor allem Freiräume. Freiräume sind jedoch ohne Risiko nicht möglich. Nicht alle Jugendlichen halten sich an alle Vorschriften, nicht einmal die aus den besseren Kreisen. Mit Regelverstößen umzugehen muss in ihren Freiräumen erst einmal Sache der Jugendlichen selber sein. Wenn die nicht mehr weiterkommen, gibt es immer noch die Sozialarbeit und im Extremfall die Polizei.
Jugend Aktiv kann solche Freiräume nur schwer zur Verfügung stellen. Tatsächlich war die Sozialarbeit schon mit der Teenie-Disco überfordert, weil sie den Alkoholschmuggel nicht in den Griff bekam. Die Teenie-Disco wurde eingestellt, aber haben die Jugendlichen deshalb aufgehört zu trinken? Sie haben es nicht und machen nun den Streetworkern Arbeit. Jugendliche für ihr Experimentierverhalten in dunkle Ecken zu verweisen ist keine Lösung.
Wir sollten den Jugendlichen Raum geben, ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen, kreativ und utopisch zu sein und sich mit Problemen erst einmal selbst herumzuschlagen. Ein Jugendhaus, das seinen Namen verdient, gehört daher meines Erachtens unter das Dach des Jugendgemeinderats und nicht unter das von Jugend Aktiv.